Milch-Manifest

Situationsanalyse

Der Milchmarkt ist ein einer schweren Krise, ohne Aussicht auf Besserung. Das Abschaffen der Milchquote mit 1. April 2015 hat zu einer vorhersehbaren Überproduktion geführt und die Milchpreise auf Talfahrt geschickt. Schon einige Zeit vor der Abschaffung haben viele MilchproduzentInnen den unrealistischen Prognosen von Branchenvertretern aus Landwirtschaft und Milchindustrie geglaubt und die Produktion ausgeweitet. Dies führte nicht nur zu einer Rekordstrafe in Form der Superabgabe, sondern auch zu einem dramatischen Absinken der Milcherzeugerpreise. Verbunden mit falschen Weichenstellungen laufen wir Gefahr nicht nur die Überproduktion weiter auszubauen, sondern auch das Verständnis und die Akzeptanz der Gesellschaft zu verlieren. Die Ratlosigkeit der Verantwortlichen aus Standesvertretung und Industrie führt zu Verunsicherung und Existenzängsten der Milchbäuerinnen und Milchbauern. Es ist daher notwendig breit gegenzusteuern und einen schnellen, aber auch nachhaltigen Weg aus der Krise zu finden. Aus unserer Sicht sind daher folgende Schritte notwendig.

  1. Fairness gegenüber kleinen und extensiven Betrieben und Arbeitskraftförderung

Die systematische Benachteiligung kleiner und extensiver Betriebe muss sofort beendet werden (Mengenstaffel, Fixkostenblöcke, Abholmodalitäten, Förderbenachteiligung,…).

Gerade die Milchviehhaltung erfordert ein hohes Maß an Arbeitseinsatz. Trotz aller Technisierung ist die gute Betreuung ein wesentlicher Faktor für tiergerechte Haltung. Die hohe Arbeitsbelastung muss besondere Berücksichtigung und Wertschätzung erfahren, um die Milchviehhaltung attraktiv und zukunftsfähig zu machen. Der hohe Anteil an Dauer-Grünland ist ein schützenswertes Gut und steht in ursächlichem Zusammenhang mit Bodenschutz, Trinkwasserqualität und funktionierendem Tourismus.

  1. Investitionszuschüsse ausschließlich für Modernisierungen und Umbauten und keinesfalls für neue Produktionskapazitäten

Der Ausbau weiterer Produktionskapazitäten in einem übervollen Markt führt zu sinkenden Milchpreisen, die auch die investierenden Betriebe in Not bringt. Gleichzeitig schädigt der Milchpreisverfall aber auch die Klein- und Mittelbetriebe die eine vernünftige Produktion beibehalten.

  1. Neue tiergerechte Zuchtziele und wiederkäuergerechte Fütterungsstandards

Schon jetzt wird deutlich sichtbar, dass die Züchtung auf Laktationshöchstleistungen immer mehr zum Kern des Problems wird. Zum einen wird damit die Produktion gesteigert, zum anderen sind die Kühe jetzt schon nicht mehr in der Lage, die derzeitigen Leistungen ohne große gesundheitliche Probleme zu erfüllen. Wir fordern daher eine Neuausrichtung der Zuchtverbände und Zuchtziele. Gemeinsam mit Fachleuten aus Landwirtschaft und Veterinärwesen müssen genetische Obergrenzen, je nach Tierrasse, in Jahresmilch-kg definiert werden. Ist die Leistung höher, wird diese nicht mehr ausgewiesen. Der Zuchtwert steigt nur mehr mit Kriterien wie Nutzungsdauer, Leichtkalbigkeit, Eutergesundheit, Fruchtbarkeit,…

Der Drang den Kühen immer höhere Leistungen abzuringen führt zu gesundheitlichen Problemen bei Tier und Mensch. Die Erhöhung der Nährstoffkonzentration im Futter verdrängt das Gras aus der Ration, verhindert Weidegang und verursacht Klauenprobleme. Weiters führt dies zu mehr Futterimport, von meist agrarindustriell hergestelltem Soja und damit verbunden zu Land Grabbing und Landkonzentration in den Händen weniger Großkonzerne auf anderen Kontinenten.

  1. Wiedereinführung der Mutterkuhprämie und Umstellungsförderung für Neueinsteiger in die biologische Milchproduktion

Die Mutterkuhhaltung ist eine natürliche, nachhaltige und umweltschonende Form der Rindfleischproduktion. Die extensive Nutzung von Dauergrünland mit dieser Wirtschaftsweise ist in höchstem Maß sinnvoll und kann zusätzlich den Milchmarkt entlasten. Außerdem kann damit der Verwaldung vorgebeugt werden und eine offene Landschaft in extensiven Regionen weiter ermöglicht werden.

Österreich wird im In- und Ausland als das Bioland Nr. 1 gepriesen. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen jedoch in eine andere Richtung. Das Auslaufen der Milchquote hat viele Milcherzeugerbetriebe veranlasst, aus der Bio-Produktion auszusteigen. Gleichzeitig wächst der Bio-Markt kontinuierlich, während der konventionelle Markt rückläufig ist, die Produktion jedoch stark steigt. Der extreme Preisunterschied zwischen bio und konventioneller Milch führt dennoch nicht zu mehr Umstellungen, da die lange Umstellungszeit von zwei Jahren zu einem wirtschaftlichen Notstand führt. Zwei Jahre nach Bio-Standard zu produzieren, die Milch jedoch konventionell verkaufen zu müssen, überfordert finanziell viele Betriebe. Dabei wäre es ökonomisch und ökologisch äußerst sinnvoll, eine Umstellungsförderung einzuführen. Damit könnte man die hohe Nachfrage am Bio-Markt bedienen, gleichzeitig den konventionellen Markt entlasten und dabei auch noch die Umwelt schonen.

  1. Abkehr von Exportorientierung

Es macht keinen Sinn um jeden Preis den Exportanteil zu erhöhen um die Überschüsse außer Landes zu bringen. Es sollten nur mehr jene Produkte exportiert werden, die eine gleich hohe oder höhere Wertschöpfung erzielen, wie am österreichischen Markt. Die derzeitige Praxis, dass viele Exporte durch Querfinanzierung mit niedrigen Erzeugermilchpreisen und guten Erlösen am österreichischen Markt finanziert werden, darf nicht weitergeführt werden. Der Export von Milchprodukten zu Dumpingpreisen setzt die bäuerliche Milchproduktion global unter Druck. In Entwicklungsländern geht die europäische Exportoffensive mit der Verletzung des Rechts auf Nahrung einher. Kleine, lokale MilchproduzentInnen können dem Preisdruck nicht standhalten. Der Großteil der Exportmengen wird überhaupt erst durch den Futtermittelimport möglich.

  1. Mindestpreise für gesunde österreichische Milch

Die Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels aber auch die genossenschaftliche Organisation der Molkereien führt zu einem extremen Ungleichgewicht der Kräfteverhältnisse. Dies hat dazu geführt, dass Milch immer mehr zum Lockartikel wurde und weit unter dem tatsächlichen Wert verkauft wird. In weiterer Folge führt dies zu den schon beschriebenen Fehlentwicklungen. Gleichzeitig kann man jedoch keine fairen Preise verlangen ohne einen Mindeststandard bei Tiergesundheit, Haltung und Fütterung zu gewährleisten. Es ist aber auch das Angebot an die Nachfrage anzupassen, um ein Marktgleichgewicht herzustellen.

  1. Marktbeobachtungsstelle mit Durchgriffsrecht

Die Politik beteuert in der Milchpreisdebatte immer wieder, „die Politik macht keine Preise, sondern der Markt“. Dies ist bequem, aber falsch. Die Politik ist für die Gesetzgebung verantwortlich und die Gesetzgebung regelt die Rahmenbedingungen. Wir erleben jeden Tag, dass durch neue Gesetze sich Märkte und Preise gewollt verändern. Zum Beispiel durch das Öko-Stromgesetz oder den Gebietsschutz der Apotheken. Es ist daher notwendig und ein gesellschaftliches Anliegen, dass wir in Österreich die Rahmenbedingungen für eine vernünftige Landwirtschaft definieren. Dabei ist eine Marktsteuerung die einzige Alternative.

  1. Reform der landwirtschaftlichen Ausbildung

Die derzeitigen Ausbildungsschwerpunkte die auf Intensivierung, Betriebswirtschaft und Wachstum ausgerichtet sind, führen die Landwirtschaft noch weiter in die Sackgasse. Die nächste Generation von Bäuerinnen und Bauern muss einen größeren Horizont überblicken können. Der Schwerpunkt muss auf Nachhaltigkeit, Kooperation, Regionalität, Veredelung, Wertschöpfung und auf gesellschaftlichen Konsens ausgerichtet sein.

  1. Bürokratie-Abbau in der Landwirtschaft

Die Umsetzung der gemeinsamen Agrar-Politik hat zu einer enormen bürokratischen Belastung der bäuerlichen Betriebe geführt. Besonders hart trifft dies vielseitige Betriebe mit Tierhaltung und Landschaftselementen. Je innovativer, tiergerechter, vielseitiger, desto bürokratischer. Je spezialisierter, je mehr man die Landschaft ausgeräumt (Hecken und Sträucher entfernt, Böschungen begradigt,…) hat, die Flächen arrondiert hat und auch die Tierhaltung aufgegeben hat, desto weniger Bürokratie, desto weniger Fehler bei der ganzen Abwicklung, desto höher sind oft die Prämien. Das muss revidiert werden.

  1. Milchdialog

Die zentrale Bedeutung der Milchproduktion für Österreichs Landwirtschaft und Wirtschaft erfordert Verständnis auf breiter Ebene. Nur durch ein gesellschaftliches Bündnis zwischen KonsumentInnen, BäuerInnen der Lebensmittelwirtschaft aber auch der Politik, können die Weichen richtig gestellt werden. Gegenseitiges Verständnis schafft Vertrauen – Vertrauen ist die Basis für gesellschaftlichen Konsens und nachhaltige Entwicklung.

Milch-Manifest zum Download

Für Organisationen, die das Milch-Manifest ebenfalls unterzeichnen möchten, bitte eine Email an office@ig-milch.at

UnterstützerInnen:

Arge Weltläden
Attac
Bank für Gemeinwohl
EZA Fairer Handel
FIAN
Greenpeace
Südwind
Weihbischof Scharl
Welthaus Graz
Welthaus St. Pölten